Rede des Oberbürgermeisters zur Festveranstaltung anlässlich der 725-Jahrfeier

Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Gäste,

ich begrüße Sie alle ganz herzlich zur Festveranstaltung anlässlich unserer 725 Jahrfeier der Stadt Zschopau. Seien Sie alle herzlich willkommen.

 

Mit besonderer Freude begrüße ich unsere Ehrengäste, die heute bei uns sind. Herzlich willkommen, Herr Landrat Frank Vogel. Ebenfalls ganz herzlich begrüße ich meine geschätzten Bürgermeisterkollegen. Ein herzliches Willkommen auch den Vertretern unserer Partnerstädte und befreundeten Städte, aus Louny, Neckarsulm, Veneux Les Sablons und Zwettl. Ganz besonders begrüße ich auch die Stadträtinnen und Stadträte der Großen Kreisstadt Zschopau, gleichfalls die Mitglieder des Ortschaftsrates Krumhermersdorf.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Gäste,

die Große Kreisstadt Zschopau ist stolz über Ihr Kommen, Sie würdigen damit auch die Bedeutung unserer Kommune in der Region.

„Ein Leben ohne Fest, ist eine weite Reise ohne Gasthaus.“ Das stammt nicht von mir, sondern von dem griechischen Philosophen Demokrit. Schon die alten Griechen wussten, dass wir auf unserer Lebensreise Zwischenstationen brauchen, die uns etwas Besonderes bieten. Stadtfeste sind etwas Besonderes und sie haben eine lange Tradition. Sie gehen bis auf das Mittelalter zurück, als sich hierzulande Städte gerade erst gegründet hatten. 

Die Bürgerinnen und Bürger feierten damals wichtige Begebenheiten und Ereignisse ihrer noch jungen Geschichte; ihre Festivitäten waren Ausdruck ihrer gerade gewonnenen Zusammengehörigkeit und Identität. Und das empfinden wir heute genauso, wenn, wie in den alten Tagen, die Zschopauer und ihre Gäste auf den Marktplätzen zusammenströmen, um gemeinsam zu feiern. 

Wir wollen miteinander ins Gespräch kommen und neue Kontakte knüpfen, wir wollen uns amüsieren und zusammen vielfältige Attraktionen erleben.

Viele von Ihnen werden sich noch an unsere letzte große Jahrfeier von 1992 erinnern, als die Straßen und Plätze unserer Stadt von Besuchern schier überquollen. Ein Vierteljahrhundert ist seitdem vergangen und nun begeht unsere Stadt wiederrum ein großes Fest. 

Damit es gelingt, mussten und müssen wir alle gemeinsam diese Aufgabe schultern, denn dies macht den besonderen Charakter unserer 725-Jahrfeier aus und ich möchte allen von Herzen danken, die an der Vorbereitung mitgewirkt haben, die viel Zeit und Elan aufgebracht haben, die viele kreative Ideen beisteuerten oder uns finanziell unterstützten. Die Liste derer ist lang und ich denke, dieses Engagement spricht nicht nur für die Verbundenheit unserer Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Ort, es spricht auch für sich selbst. Sie alle haben Erstaunliches auf die Beine gestellt und sich damit unser aller Beifall verdient.

Wenn wir etwas über das Zschopau von heute erfahren wollen, dann müssen wir auch etwas über das Gestern wissen. 

Denn die Gegenwart ist nicht losgelöst von dem zu sehen, was vorher war; das Heute speist sich vielmehr aus der Vergangenheit, es wird von ihr geprägt, so wie es schon jetzt die Zukunft prägt. So entsteht Kontinuität, so bildet sich Identität heraus.

 

Wo also kommen wir her? Und was prägte unsere Stadt durch die Jahrhunderte?

Die uns bekannten Urkunden datieren die ersten Erwähnungen Zschopaus auf die Jahre 1286 und 1292, doch mit Sicherheit wurde das Gebiet unserer heutigen Stadt schon weitaus früher besiedelt, führte doch durch das Tal der Zschopau mit der Salzstraße eine der größten Handelsstraßen der damaligen Zeit, die hier mit einer Furt den Fluss querte. 

Uralt ist diese Straße, die von Halle kommend über Leipzig, Chemnitz und Prag bis nach Triest führte. Zu ihrem Schutz wurden zuerst der Bergfried „Dicker Heinrich“ und nur wenig später Schloss Wildeck errichtet, welches zugleich mit seinem Namen eindrucksvoll auf seine Aufgabe verweist – den Schutz der damaligen „Wilden Ecke“ zu gewähren. 

Um die Passage über den Fluss sicherer zu gestalten und den steigenden Verkehr bewältigen zu können, wurde unter Cornelius von Rüxsleben bereits 1569 eine Brücke errichtet, aber da diese ohne allerhöchste Genehmigung gebaut worden war, wurde sie 1578 wieder abgerissen und zwei Jahre später durch eine neue ersetzt. Wie sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, galten damals schon die strengen Regeln der übergeordneten Behörden.

„Zschap mei Gees“ – Zschopau mein Gott! Dieser Satz ist heute noch auf einem Relief an der Zschopaubrücke zu lesen. 

Er geht zurück auf einen Bildstock und ein Kruzifix, an welchem die Fuhrleute vor ihrer Fahrt in den dichten Gebirgswald den Segen des Herrn erflehten und ihm bei ihrer Rückkehr in die Heimat - nach Wochen oder Monaten dankten. Die hölzernen Brücken hielten dem reißenden Fluss mit seinem Eisgang nicht lange stand und so wurde im Jahre 1813 der Bau der ersten steinernen Brücke fertig gestellt. Da die Stadt damals arm war und acht Bürgerhäuser ankaufen musste, die dem Brückenbau zum Opfer fielen, war übrigens jeder Zschopauer Hausbesitzer verpflichtet 9 Taler zu zahlen. 

Zschopau war seit jeher ein wichtiger Standort an der Handelsstraße nach Böhmen. Schmiede und Stellmacher erwarteten hier die Fuhrwerke, Vorspannpferde standen bereit um den steilen Zschopenberg zu meistern und in den Gastwirtschaften floss so manches Bier durch die Kehlen der Fuhrleute. Aber nicht nur bei ihnen war es beliebt, denn unser Zschopauer Bier war von solcher Güte, dass es in großen Mengen am bayrischen Hof getrunken wurde. Als jedoch der bayrische Herzog Wilhelm V. feststellte, welche immensen Summen er dafür aufbringen musste, gab er 1589 den Bau des Münchener Hofbräuhauses in Auftrag. Jahrhundertelang rollten durch unsere Stadt die schweren Wagen, beladen mit kostbarem Salz in den Süden und brachten auf dem Nachauseweg ungarischen Wein, böhmisches Glas und andere Handelsware nach Deutschland. 

Gute und schlechte Zeiten zogen über unsere Stadt hinweg, auf Zeiten des Friedens folgte der Krieg, die schwarze Pest, Stadtbrände legten Zschopau 3mal darnieder, doch immer wieder entstand dank der Tatkraft unserer Vorfahren Zschopau neu. Ab dem 16. Jahrhundert siedelten sich schließlich Leinenweber und Tuchmacher an und bildeten fortan einen der Haupterwerbszweige der ansässigen Bürger. Als ein bedeutender Meilenstein für die weitere Entwicklung unserer Stadt sollte sich 1802 der Kauf einer Tuchbleiche an der Zschopau durch Johann Jacob Bodemer erweisen. 

Ihm und seinen Nachfahren gelingt es in der Folgezeit eine der modernsten Spinnereien Deutschlands zu schaffen, deren Katzengarne weltweites Ansehen genossen. 

Bis zu seiner Enteignung im Jahre 1952 verbleibt der Betrieb zu großen Teilen im Besitz der Familie. Danach wird der Betrieb als Unternehmen in Volkseigentum betrieben und es entsteht der „VEB Baumwollspinnerei Zschopautal Zschopau“, welcher bis zu seiner Abwicklung 1990 die textilverarbeitende Industrie mit bestem Baumwollgarn versorgt. Heute würde man sagen, die Bodemers schufen Arbeitsplätze, doch vor allem Jacob Georg, der Sohn des Firmengründers, war im Kontext seiner Zeit betrachtet, dieser voraus. 

1839 unternimmt Jacob mit seinem Bruder eine Studienreise nach England, dem damals industriell führenden Land und wird dabei mit dem Elend der Fabrikarbeiter konfrontiert. Möglicherweise war dies einer der Gründe, die in dazu bewegten, im Jahre 1845 eine Fabrikschule mit einem eigens angestellten Lehrer zu gründen und in den Folgejahren sein soziales Engagement noch deutlich auszuweiten. So spendet er über 20 Jahre lang mehr als die Hälfte seines beträchtlichen Einkommens für wohltätige Zwecke. 

Weiterhin gründet er eine Betriebskrankenkasse, eine Betriebssparkasse und stellt den Städten Zschopau und Chemnitz umfangreiche Stiftungen zur Verfügung, die als Grundstock für deren Bibliotheksgründungen dienen. 

Ein weiterer großer Verdienst der Bodemerschen Familie war ihr Engagement für den Anschluss Zschopaus an die Eisenbahn. Diese war fortan nicht nur für die Menschen, sondern auch für Waren und Produkte aus Zschopau das Tor zu Welt. Durch dieses Tor zur Welt betritt 1906 der Däne Jorge Skafte Rasmussen Zschopau und macht in den folgenden Jahrzehnten mit den Buchstaben „DKW“ Zschopau und Sachsen als Motorradland weltberühmt. 

Nach der Entwicklung eines Dampfkraftwagens, von dem sich die Buchstaben „DKW“ ableiten, und eines Fahrradhilfsmotors, beginnt er 1922 mit dem „Reichsfahrtmodell“ die Produktion von Motorrädern. In der Folgezeit entstehen zahlreiche Nachfolgemodelle, deren Absatzzahlen sich so entwickeln, dass das Zschopauer Werk 1927 mit 65.000 produzierten Motorrädern der größte Motorradhersteller der Welt ist. 1928 übernehmen schließlich die Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen AG, die Audi GmbH mit Sitz in Zwickau.

Da in der Folgezeit der Absatz jedoch enorm einbricht und beide Werke von Rasmussen um die Existenz kämpften, drängt die Sächsische Staatsbank 1932 zur einer Vereinigung der Werke von DKW und AUDI mit anderen sächsischen Herstellern. Dies ist die Geburtsstunde der Auto Union AG, deren Konzernsitz sich bis zu ihrem Umzug 1936 nach Chemnitz in Zschopau befindet.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges werden von der Roten Armee große Teile des Werkes demontiert und die Motorradproduktion kommt zum Erliegen. Nach Auflösung der Auto Union AG im Jahr 1948 erhält DKW die Selbstständigkeit zurück, doch führende Ingenieure und Führungspersonen fliehen aus der Sowjetischen Besatzungszone in Richtung Ingolstadt und setzen dort die Geschichte von DKW fort. 

Dessen ungeachtet erfolgt in Zschopau bereits 1950 die Wiederaufnahme der Produktion mit dem Vorkriegsmodell RT125. Endgültig verliert das Zschopauer Werk den Namen DKW 1956, da das Ingolstädter Unternehmen erfolgreich gegen die Verwendung des Namens geklagt hatte. Fortan produziert das Zschopauer Werk, bereits in Volkseigentum umgewandelt, als „VEB Motorradwerk Zschopau (MZ)“. 

Über die Grenzen der sozialistischen Welt hinaus verkaufen sich die Motorräder mit den Buchstaben MZ und 1983 läuft in Zschopau das 2 millionste Motorrad vom Band. Mit der Wende 1990 wird MZ privatisiert. Das neu gegründete Unternehmen „Motorradwerk Zschopau GmbH“ meldet allerdings bereits ein Jahr später wieder Insolvenz an. 

Es beginnt ein Kampf um das Überleben, der sich mit immer weniger Modellen und Angestellten bis zum Jahr 2012 und damit dem Ende der Motorradproduktion in Zschopau hinzieht. Motorradproduktion bedeutete in Zschopau auch immer Motorradsport, und so sind mit dem Werk in Zschopau unzählige nationale und internationale Titel verbunden, die unsere Fahrer auf Motorrädern aus Zschopau erringen konnten und so unsere Stadt in der ganzen Welt bekannt machten. Wir alle sind stolz darauf, dass noch heute der jährliche Finallauf zur deutschen Meisterschaft im Endurosport hier stattfindet und den Namen „Rund um Zschopau“ trägt. 

In diesen Jahren der wirtschaftlichen Prosperität nimmt auch unsere Stadt einen großen Aufschwung. Nicht nur, dass die Einwohnerzahl steil ansteigt, auch auf kulturellem und sportlichem Gebiet werden mit Mut, Tatkraft und Weitsicht – und unter großer Anteilname der Bevölkerung - bedeutende Projekte in unserer Stadt realisiert. 

Stellvertretend hierfür seien nur das Stadion in der Sandgrube, der Wiederaufbau des Kinos und das Freibad genannt. 

Tempora mutantur, et nos mutamur in illis   "Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen"

Die politische und wirtschaftliche Wende 1990 ist für unsere Stadt eine radikale Zäsur. 

Die Bodemerschen Spindeln stehen still. Der Takt der Motorräder, der fast 100 Jahre den unverwechselbaren Klang unserer Stadt bestimmte und ihre Identität prägte, ist nicht mehr. Tausende Arbeitsplätze gehen für immer verloren und wenn unsere Erinnerungen in diese Zeit zurückschweifen, so sind sie von Wehmut erfüllt, denn dieser Verlust ist bis heute nicht zur Gänze hin verwunden.  

Zudem müssen in den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach der Wende viele ihre Heimat verlassen, um dorthin zu gehen, wo sie Arbeit finden, um ihre Familien zu ernähren und sich eine gesicherte Existenz aufzubauen. 

Ja, die Zeiten haben sich geändert, viel ist in den vergangenen 25 Jahren in unserer Stadt geschehen. Altes wurde bewahrt, Neues wurde geschaffen und manches ging leider unwiederbringlich verloren. Dies ist so und dies müssen wir annehmen, denn wie unser aller Leben, so ist auch das Werden einer Stadt ein stetiger Prozess voller Veränderungen und neuer Herausforderungen.

 

Doch müssen auch wir uns ändern? Denn wie fragte ich eingangs: Wo kommen wir her? Und was prägte unsere Stadt durch die Jahrhunderte?

Unsere Stadt prägte der Geist mutiger Unternehmer, seien es die Schmiede, die für die Fuhrwerke sorgten, seien es unsere Brauer, die unser Bier in die ganze Welt exportierten oder Bodemer und Rasmussen, die aus einer Idee Weltkonzerne formten, seien es die Ingenieure bei MZ oder unsere Motorsportler  – sie alle glaubten an ihre Visionen und Träume und gingen wegen diesen nicht zum Arzt, wie Altkanzler Helmut Schmidt zu sagen pflegte. 

Übrigens - Bodemer und Rasmussen waren beide keine Zschopauer, sondern fremde „uhisische“ wie wir sagen und doch waren sie ihrem Zschopau verpflichtet und schufen nicht nur Arbeitsplätze, sondern engagierten sich auch sozial und finanziell in der Stadt. 

Der Rückblick auf 725 Jahre Zschopau erfüllt uns aber auch mit Demut und Ehrfurcht vor den meist unbekannten, einfachen Menschen die hier siedelten, hierblieben, hier arbeiteten, hier über die Jahrhunderte lebten und damit den Grundstein für unsere heutige Stadt legten. 

Sie machten Zschopau zu ihrer und zu unserer Heimat. 

Dieses Erbe wollen wir erhalten und uns dafür einsetzen, damit Zschopau auch in den kommenden 725 Jahren Menschen eine Heimat bietet, in der sie sich gut aufgehoben fühlen und glücklich leben können. 

Besinnen wir uns also gemeinsam auf unsere Traditionen und lassen Sie uns unser Schicksal selbstbewusst in die eigenen Hände nehmen, denn wir alle gestalten unsere Stadt.

Egal ob als Stadtrat, als Einwohner, als Unternehmer oder als ehrenamtlich Tätiger. 

Und auch wenn dies überzogen klingen mag – wir alle schreiben mit unseren kleinen persönlichen Entscheidungen täglich aufs Neue ihre Geschichte und damit ihre Zukunft, eine Zukunft die somit in unseren allen Händen liegt. 

Dies hat uns Zschopauer und unsere Stadt zu dem werden lassen, was wir heute sind. 

Wenn wir heute durch unsere Stadt laufen und auf das schimmernde Band des Flusses hinabschauen, über dem sich unser stolzes Schloss Wildeck erhebt, so sind wir alle stolz darauf, dass genau hier - an diesem wunderschönen Ort unsere Heimat, unser zu Hause ist.

Und wenn ich vorhin von dem sprach was nicht mehr ist, so lehrt uns die Geschichte auch, dass nichts endgültig ist, sondern das Gemeinsinn Lücken zu schließen vermag und wenn wir es alle wollen, auch längst verloren geglaubtes in neuem Gewande wieder erstehen kann. 

Lassen wir es also nicht zu, dass die Zeiten uns ändern, sondern lassen Sie uns gemeinsam im Sinne der Menschen handeln, die unsere Stadt über die Jahrhunderte mit Mut und Weitsicht und mit Stolz und Tatkraft vorangetrieben haben.

 

Vielen Dank