Mit der ortsspezifischen Skulptur „Fließgleichgewicht“ greift Michael Sailstorfer die Geschichte Zschopaus auf und weist gleichzeitig in die Zukunft:
Die ca. 4,50 Meter hohe Skulptur, die einem Seitenspiegel eines Motorrads nachempfunden ist, wird am nördlichen Ufer der Zschopau platziert, von wo sie auf den Fluss hinaus reicht. Am Ende der Edelstahlkonstruktion, die aus der Uferböschung ragt, sind zwei Spiegel mit einem Durchmesser von jeweils einem Meter montiert. Die konvexen, nach außen gewölbten Spiegel, weisen sowohl in Richtung als auch gegen die Strömung des Flusses. Das Kunstwerk wird so positioniert, dass es vom Ufer wie von der Brücke aus gut zu sehen sein wird.
Der Titel „Fließgleichgewicht“ stammt ursprünglich aus der Biologie und beschriebt einen Zustand, in der beispielsweise in einer Zelle ein Gleichgewicht zwischen einströmenden und ausgeschleusten Substanzen herrscht. „Fließgleichgewicht“ spielt sowohl auf die unter der Skulptur fließende Zschopau, sowie den Fluss der Zeit an. Beide Bedeutungsebenen verkörpern sich in den Spiegeln der Skulptur, die flussauf- und flussabwärts zeigen.
Schon im Mittelalter war der jetzige Standort der Skulptur von großer Bedeutung. An eben jener Stelle querten Händler die Zschopau, die Salz zwischen Leipzig und Prag transportierten. An diesen, für den Handelsweg bedeutenden Ort, erinnert die am südlichen Flussufer angebrachte Gedenktafel von Karl Gottlob Beyer aus dem 19. Jahrhundert. Die Skulptur von Michael Sailstorfer greift die Bedeutung des Ortes ebenfalls auf und setzt am anderen Flussufer einen Gegenpunkt.
Die Form der Skulptur ist dem Rückspiegel eines Motorrades entlehnt. Der Bezug zu den bis 2008 in Zschopau produzierten Fahrzeugen ist ein bewusster Hinweis auf die jüngere Geschichte der Stadt, die nach wie vor eng mit der Traditionsmarke MZ verbunden ist. Der Blick in den (Rück-)Spiegel ist dabei nicht nur ein Vermerk auf die Geschichte, sondern soll vielmehr das Fließen der Zeit verdeutlichen und so gleichzeitig auf die Zukunft verweisen. Auf der Brücke stehend spiegelt man sich in der Skulptur. Dabei wird man selbst Teil des Kunstwerks. Die Bedeutungsebenen der Geschichte der Stadt und des Ortes werden so um eine individuelle Ebene erweitert. Nicht nur dadurch lässt die Skulptur auch eine eigene, persönliche Interpretation zu.